liebe Kollegen in Kirchen, Kapellen und Gemeindehäusern
Zusammen mit den vielen MusikerInnen, PfarrerInnen und zahlreichen Ehrenamtlichen stemmen wir in den nächsten Wochen einiges an Arbeit. „Hauptkampfzeit“ sagt manch einer augenzwinkernd und krempelt schon Anfang November die Ärmel hoch. Weihnachtsbaum bestellen. Lichterketten prüfen, Adventbasar vorbereiten. Bei vielen haben die Krippenspielproben schon längst begonnen. Nebenher natürlich wieder Handwerker, irgendwas ist ja immer. Gastgruppen im Gemeindehaus. Es gibt mehr zu reinigen als sonst. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Wer sind wir Hauptamtlichen eigentlich in dieser besonderen Kirchenjahreszeit? Sind wir (nur) Dienstleister, die auf der verborgenen Innenseite der äußerlich glitzernden Weihnachtswelt ihre vollen To-Do-Listen abarbeiten? Wie Matrosen im Maschinenraum schuften, während oben auf Deck festlich gefeiert, musiziert und gespeist wird? Oder sind wir religiöse Animateure? Neben Marzipankartoffeln und Geschenken soll immerhin auch heilige Stimmung konsumiert werden. Dafür ist Kirche doch da, mag manch einer denken und nicht akzeptieren können, dass auch in diesen Tagen etwas schief geht. Die Angestellten sollen sich doch wenigstens einmal im Jahr richtig Mühe geben! Wir wissen: Wer Weihnachten vergeigt, macht einen schlechten Eindruck, für den es erst in 365 Tagen wieder eine neue Chance gibt. Daran ist wenig „gnadenreich“. Oder sind wir die, die diese Zeit vielleicht am intensivsten und innigsten miterleben? Wir sind doch ganz nah dran an der Weihnachtsgeschichte, erleben jeden Gottesdienst, hören tolle Musik, schmücken und bereiten vor. „Dein Zion streut dir Palmen und grüne Zweige hin.“ Wer sind wir in den kommenden Wochen? Säßen wir jetzt beim Tee oder Glühwein beieinander, würden die Antworten sicher sehr verschieden ausfallen. Wir hätten einander viel zu erzählen, von peinlichen Pannen, von der Gereiztheit, die sich irgendwann in der Adventszeit jedes Mal einstellt und im Christnachts-Gottesdienst alle Jahre wieder wie verflogen ist. Von kleinen menschlichen Begegnungen an den stressigen Tagen, von einer weinenden Witwe, glänzenden Kinderaugen und unseren Liebslings-Liedern.
Eine meist nicht gesungene Strophe des Chorals „Wie soll ich dich empfangen“ ist eigentlich UNSERE Strophe. Fast hätte ich geschrieben: unsere allein, sie ist für Hauptamtliche. Aber an Weihnachten gehört nichts von unserer geistlichen Tradition nur bestimmten Leuten. „Allem Volk“ soll diese Freude widerfahren.
Ihr dürft euch nicht bemühen
noch sorgen Tag und Nacht,
wie ihr ihn wollet ziehen
mit eures Armes Macht.
Er kommt, er kommt mit Willen,
ist voller Lieb und Lust,
all Angst und Not zu stillen,
die ihm an euch bewusst.
Wir haben unsere Geheimnisse in diesen Wochen. Darüber reden wir mit niemandem. Diese Momente, in denen wir unsere sehnsüchtige Seele spüren. Du zündest eine Kerze an und merkst, wie Kindheitsgefühle in dir wach werden und du dich so trostbedürftig fühlst „like a motherless child“. Erinnerungen flimmern im Kerzenschein und du vergisst die Welt um dich herum. Du fühlst Dein Leben. Das sind UNSERE Momente, die wir mit niemandem in unseren Gemeinden teilen. Zu kostbar. Ich erzähle niemandem in meiner Gemeinde davon, dass ich in den Adventswochen abends gerne in der leeren, geschlossenen Kirche stehe, die vom schwachen warmen Licht des Herrenhuter Sterns matt erleuchtet wird. Dabei vergesse ich die Zeit und fange an zu beten, wie man im Gottesdienst nie beten könnte … Ich erzähle auch niemandem von der Rührung, die mich immer an einer bestimmten Stelle von „o du fröhliche“ überfällt. Das sind die Momente, die man nicht machen kann. „Ihr dürft euch nicht bemühen …“ Momente, in denen ich dem Evangelium so nah bin, wie selten im Jahr. Als würde in diesen Augenblicken jemand direkt zu mir sprechen. „Auch dir ist heute der Heiland geboren. Fürchte dich nicht!“
Diese Momente sind unser geheimes Weihnachten.
Genießen wir sie!
Adventliche Grüße verbunden mit dem Wunsch nach Frieden, Gesundheit und Zufriedenheit sendet Euch